Mit dem Fahrrad und Zelt von München ans Nordkap & fast einmal um die Ostsee
Von: Kathrin Häring
27 Tage, 4277 km, ein großes Ziel: Das Nordkap erreichen.
Ich bin seit ich denken kann Ausdauersprotlerin und liebe es, den ganzen Tag draußen und in Bewegung zu sein. Auf meiner ersten Bikepackingreise 2024 von Griechenland nach Hause wurde ich von einem Freiheitsgefühl regelrecht überwältigt. Das Reisen mit Zelt und Fahrrad bedeutet für mich genau das: Frei sein. Nachdem ich von meiner ersten Tour so begeistert war, hatte ich ein bisschen Sorgen, auf der zweiten Tour enttäuscht zu werden. Dieses Mal sollte es ans Nordkap gehen - und ich wurde eines besseren belehrt, die Tour war alles andere als enttäuschend.
Von Regen, Hitze und Reisen ganz ausserhalb der Komfortzone
Ich startete in München, fuhr zunächst über Tschechien und Polen, durch die Geburtsorte meiner Großeltern. Nachdem ich bei Sonne startete, kam ich an acht aufeinanderfolgenden Tagen und bei 9-17 Grad in den Regen, sodass die Reise etwas ungemütlich startete. Ich war noch nicht mal in Skandinavien und wurde zunehmend unsicherer, ob mein Equipment ausreichen würde, sollte es so regnerisch bleiben und es im Norden noch kälter werden. Zu Hause würde ich niemals freiwillig kalt duschen oder eisbaden und es war eine bewusste Entscheidung, mich außerhalb meiner Komfortzone zu bewegen. Mit so viel Regen und so niedrigen Temperaturen hatte ich allerdings nicht schon in Tschechien und Polen gerechnet. Das Wetter und auch die Straßen wurden besser und ich war ganz begeistert von Litauen, Lettland und Estland. Ich fuhr mit der Fähre von Tallinn nach Helsinki, wo mich die absolut untypische Hitzewelle erwartete. Meine Uhr zeigte mir auf den finnischen Straßen unter meinen UV-Schutz-Armlingen teilweise 36° Grad an. Die Option, in kurzer Radkleidung zu fahren, wenn ich von morgens bis abends der Sonne ausgesetzt war, gab es für mich nicht mehr. Seit ich 2022 die Diagnose schwarzer Hautkrebs erhielt, habe ich nicht mehr die großen Angst aber großen Respekt vor der Sonne. Ich hatte viel Glück im Unglück und lange Kleidung ist, wenn ich den ganzen Tag in der Sonne bin, der Kompromiss, der es mir ermöglicht, meinen Leidenschaften nach wie vor nachzugehen. Vor der OP damals war unklar, ob ich dem Radfahren und Laufen weiterhin so nachgehen können würde. Ich hatte Glück und umso mehr schätze ich jetzt solche Abenteuer und warte damit nicht bis irgendwann.
Der Respekt vor der Sonne führt leider trotzdem nicht dazu, den Regen auf dem Rad zu lieben.
Sowohl am Anfang, als auch am Ende erwischte mich der Regen häufig und in den kältesten Nächten waren es nasse 5-6° Grad. Die Alternativlosigkeit brachte mich trotzdem dazu, weiterzufahren und häufig wild zu campen. Ich hatte mich vor der Reise bewusst für diese wunderschöne Gegend entschieden und wusste, wie ungemütlich das Wetter in Skandinavien sein kann.
Es ist immer auch eine Reise zu sich selbst
Trotz der Angst vor Bären und Elchen habe ich mich zum Glück ab Litauen getraut, wild zu campen und gegen Ende meiner Reise hätte ich am liebsten nur noch so übernachtet - ein größeres Freiheitsgefühl kann ich mir nicht vorstellen. Oftmals bin ich Rad gefahren so lange ich wollte, habe mir dann einen Platz gesucht und mein Zelt aufgeschlagen.
Als nördlich des Polarkreises die Sonne ein paar Tage nicht unterging, war nicht mal die Dunkelheit ein Limit. Meine längste Etappe waren 211 km, mein Durchschnitt 158 km/Tag bei 1100 Höhenmetern. Mit so vielen Kilometern am Tag ging allerdings auch ein kaum zu stillender Hunger einher, der mich teilweise ziemlich gestresst hat, umso dankbarer bin ich jetzt, nach über 13 Jahren Essstörung ein wirklich gesundes Verhältnis zum Essen zu haben. Viele Jahre wäre so eine Reise unmöglich gewesen. Man wird an Grenzen erinnert und mental gefordert, überwindet sich und wächst daran weiter. Auf den Reisen habe ich viel darüber gelernt, was es heißt, gut zu sich zu sein und auf sich zu achten. Nur so erreicht man auch seine Ziele.
Ein absoluter Traum und eine Grenzerfahrung zugleich
Nach 27 Tagen war es soweit und ich erreichte nach 4277 km das große Ziel meiner Reise: das Nordkap. Wie es danach weitergehen sollte, wusste ich bei der Ankunft noch nicht. Ich kam am späten Abend an, die Sonne stand tief und schaffte zu dem besonderen Abend eine sehr besondere Stimmung - es war der erste Abend nach den Polartagen, an dem die Sonne unterging. Man kann direkt am Nordkap campen und so schlug ich zwischen einigen anderen Bikepackern, die alle hier ein (Zwischen-)Ziel erreicht haben, mein Zelt auf. Mit völlig Fremden teilt man ein ganz besonderes Erlebnis und man versteht sich, selbst wenn man nicht miteinander spricht.
Ich entschied mich danach, die Küste entlang in den Süden zu fahren und kam an den allerschönsten Fjorden vorbei, über wunderschöne Inseln, weiter auf die Lofoten und verliebte mich so sehr in den Norden Norwegens.
Für mich war die Reise wieder ein schönes Abenteuer, ein absoluter Traum und die Möglichkeit, mich selbst und meine Grenzen besser kennenzulernen.
Doch so schön es auch war, habe ich mich am Ende sehr auf meine Freunde und Familie gefreut, auf den Cappuccino und das Franzbrötchen am Donnerstag Morgen und darauf, mich mit Leuten zu den Erlebnissen auszutauschen.
Ich bin vor allem aber wahnsinnig dankbar, dass ich eine solche Reise machen konnte und würde es immer wieder so machen.